Aufstände: Revolutionäre Limo erobert die Nation

Aufstände: Revolutionäre Limo erobert die Nation

Man stelle sich Karl Marx vor, mit seinem wallenden Bart, wie er konzentriert vor dem Regal mit Energy-Drinks, Limonaden und isotonischen Getränken eines modernen Supermarkts steht. Seine Brille rutscht ihm auf der Nase herab, nicht weil er die kleingedruckten Inhaltsstoffe entziffern möchte, sondern weil er in diesem farbenfrohen Spektakel der Warenästhetik die perfekte Allegorie des spätkapitalistischen Fetischs erkennt.

Was wäre revolutionär an einem Spaßgetränk? Zunächst einmal: alles und nichts.

1. Das Getränk als Ware par excellence:
Das Spaßgetränk ist die reine Verkörperung des Warenfetischs, den Marx im "Kapital" sezierte. Sein Gebrauchswert – der Durstlöschung – ist völlig überlagert von seinem Tauschwert und einem ganzen Universum an zugeschriebenen Bedeutungen. Wir kaufen nicht eine zuckerhaltige, kohlensäureverseuchte Flüssigkeit. Wir kaufen den Versuch, eines Gefühls habhaft zu werden: Energie, Zugehörigkeit zur "in"-Crowd, jugendliche Rebellion oder sportliche Höchstleistung. Die konkrete Arbeit des Chemikers und des Fließbandarbeiters verschwindet hinter der Aura der Marke, des Versprechens. Der "Kick", den es verspricht, ist die Ware. Der eigentliche Inhalt ist nur das Transportmedium.

2. Revolution der Oberfläche:
In ihrer Marketing-Sprache inszenieren sich viele dieser Getränke oft selbst als "revolutionär". Sie preisen eine "Rebellion" an, die genau so weit geht, wie es die Absatzzahlen erlauben. Sie bedienen sich einer Ästhetik des Aufstands – wilde Farben, aggressive Slogans, coole Avantgarde –, um den Konsumenten das Gefühl zu geben, er sei ein nonkonformistischer Rebell, während er in Wirklichkeit die konformistischste aller Handlungen vollzieht: einen Massenartikel zu kaufen. Es ist der perfekte Widerspruch: Die Inszenierung der Revolution zur Aufrechterhaltung des status quo. Das System verkauft uns die Illusion des Aufstands gegen sich selbst und stabilisiert sich dadurch nur noch mehr.

3. Der falsche Klassenkampf:
Ein Energy-Drink für die Nachtschicht im Lager, um das Proletariat wach und ausgebeutet zu halten. Ein designer isotonisches Getränk für das wohlhabende Bürgertum nach dem Yoga-Kurs. Die Getränke spiegeln und verstärken die Klassengegensätze wider. Sie sind Werkzeuge der Produktivitätssteigerung auf der einen und der Distinktion auf der anderen Seite. Der echte Klassenkampf um die Produktionsmittel – wer also die Fabriken besitzt, in denen diese Getränke abgefüllt werden, und wer den Mehrwert abschöpft – wird unsichtbar gemacht. Stattdessen führen wir einen Scheinkampf um die Frage, welche Marke unser Lifestyle am besten repräsentiert.

Was also wäre ein wahrhaft revolutionäres Spaßgetränk?

Ein marxistisch inspiriertes Getränk müsste diesen Widersprüchen ins Auge sehen. Sein Slogan wäre nicht "Rebellion", sondern "Bewusstsein". Vielleicht wäre es langweilig verpackt, mit einer vollständigen Deklaration der Inhaltsstoffe und der Löhne der Abfüllarbeiter:innen auf dem Etikett. Sein Geschmack wäre nicht überwältigend süß, um Sucht zu erzeugen, sondern angenehm und erfrischend – ein hoher Gebrauchswert. Es würde in einer Genossenschaft produziert, deren Gewinne gleichmäßig verteilt werden.

Doch hier offenbart sich die Tragik: Dieses wahrhaft ehrliche Getränk würde im Regal des kapitalistischen Supermarkts sofort untergehen. Es hätte keine Chance gegen die bunten Versprechen der Konkurrenz. Sein Revolutionärsein läge nicht in seinem Konsum, sondern in seiner Produktionsweise. Und die ist unsichtbar.

Das revolutionäre Potenzial liegt also nicht im Getränk, sondern in unserer Fähigkeit, durch es hindurchzusehen. Wenn wir das nächste Mal vor diesem Regal stehen, sollten wir nicht fragen: "Welches Getränk macht mich rebellisch, cool und leistungsstark?" Sondern: "Welche Arbeit und welche Ausbeutungsverhältnisse stecken in dieser Dose? Welches Bedürfnis will sie in mir wecken, das ich vielleicht gar nicht habe? Und warum versucht eine Ware, mir vorzugaukeln, ich sei frei, indem ich sie kaufe?"

In diesem Moment des Innehaltens, der kritischen Reflexion, wird aus dem passiven Konsum ein aktiver Erkenntnisprozess. Das ist der wahre "Kick". Er kostet nichts, macht nicht abhängig und ist tatsächlich subversiv. Das ist der Geist von Marx, destilliert in einer geistigen Übung – das einzig wahre revolutionäre Spaßgetränk.